Zum Inhalt springen

Gut gegen Böse – Alle gegen Alle

Wie ein erzählerisches Prinzip unser Weltbild prägt

Harry Potter gegen Voldemort und Luke Skywalker gegen Darth Vader … ob Fantasy, Action oder Romanze, das erzählerische Prinzip variiert nur in Nuancen: heldenhafter Protagonist, Antagonist, Fallhöhe, Welt gerettet, fertig.

Fast alle Geschichten, die wir lesen, hören oder uns ansehen, ob fiktional oder dokumentarisch, selbst die, die wir selbst erzählen, sind Ausdruck unseres Weltbildes und prägen es zugleich. Ob Insta-Story oder der Lebenslauf im Bewerbungsschreiben, … immer wieder sind wir herausgefordert, das eigene Leben zu inszenieren, es als Geschichte aufzubereiten, als ginge es um den Inhalt eines Hochglanzmagazins. Und weil das so gut funktioniert, werden oft auch Dokumentationen und Nachrichten so gestaltet, die uns doch eigentlich die reale Welt vermitteln sollten: AfD oder Bring-your-families, Clinton oder Trump, Impfen oder Wadenwickel, Mac oder PC… Medien teilen ein und erzwingen eine Entscheidung: In or Out. Unterschiede werden überhöht und dramatisiert, Gemeinsamkeiten haben keinen Platz in der medialen Darstellung der Welt. Und was macht das mit uns?

Das Phänomen der Quellenamnesie führt in vielen Fällen dazu, dass wir uns in der Erinnerung nicht mehr sicher sind, woher nun diese Bilder stammen, die wir doch mit eigenen Augen gesehen haben: Realität oder Fiktion? Nachrichtensendung oder TV-Serie?

Die Grundlage aller Hollywood-Drehbücher liegt in Aristoteles‘ Poetik. Er hat die erfolgreichsten Theaterstücke seiner Zeit analysiert und daraus seine Regeln formuliert, die wir seither in fast allen denkbaren Erzählungen befolgen, und die in Hollywood perfektioniert wurden:

  • Jede Geschichte braucht einen Konflikt.
  • Sie braucht einen Protagonisten (einen, der die Welt retten muss)
  • einen Antagonisten (einen, der ihn daran hindert)
  • und eine Fallhöhe (den drohenden Weltuntergang)

Vieles von dem, was zum Beispiel Donald Trump entscheidet oder twittert, scheint direkt einem Hollywood-Drehbuch entliehen: Nicht nur das Überleben der US-amerikanischen Nation steht laut Trump auf dem Spiel, sondern gleich die gesamte (westliche, weiße) Zivilisation. Es sei die allerletzte Chance, beide zu retten, und natürlich ist nur einer dieser Aufgabe gewachsen, Trump, Donald Trump, wer sonst. Die Welt ist in Gefahr, die Fallhöhe ins Unermessliche überhöht und der Wahlbetrug als Notausgang vorbereitet. Das ist Hollywood vom Feinsten, dort wurden solche Szenarien wieder und wieder durchgespielt, in der Fiktion, gewiss, und trotzdem haben wir diese Muster so sehr verinnerlicht, dass es vollkommen plausibel erscheint: Wie viel Faschismus – oder moderater formuliert: wie viel Populismus steckt in der Hollywood-Erzählung? Und sind Donald Trump, AfD und Front National die direkten, erwartbaren Folgen, dass wir Abend für Abend mit derart undemokratischen Filmen berieselt werden, geht es möglicherweise darum, dem Populismus den Weg zu bereiten, bis wir den hohen Wert der Demokratie für uns nicht mehr erkennen können, ihm misstrauen? Oder ist alles purer Zufall?

Normalität jedenfall entsteht durch Wiederholung, indem etwas immer und immer wieder gesagt und verbreitet wird. Je öfter wir eine Botschaft hören, desto gewohnter erscheint sie uns, desto mehr subjektive Wahrheit erhält sie. Auch wenn wir wissen, dass das so nicht stimmt, dass die Realität komplexer ist, der Wirkung dieser realen und fiktional verstärkten Loops können wir uns kaum entziehen.

Dialogischer Vortrag über dramatische Gegensätze, gesellschaftliche Normen und die Verantwortung der Medien