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Die Rosa- und Hellblau-Falle – Geschlechterklischees für Kleine

Eine Radiosendung von Almut Schnerring und Sascha Verlan

Puppen und Prinzessinnen, Glitzer und Nagellack, die Sprache der Werbung, Produkt- und Verpackungsdesign sagt: All das ist Mädchen vorbehalten. Interessiert sich ein kleiner Junge dafür, erfährt er schiefe Blicke, Belächeln oder abwertende Kommentare. So ergeht es auch der Familie mit ihrem kleinen Sohn, die wir besucht haben, und aus deren Alltag diese Sendung erzählt.

Sechs Jahre nach unserem Buch „Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees“, nach MeToo, nach dem BVG-Urteil zum dritten Geschlechtseintrag… hat sich manches getan und doch stecken Viele fest in der Rosa-Hellblau-Falle, werden enge Rollenbilder an Kinder weitergereicht, müssen sich Eltern, die sich gegen eine traditionelle Rolleneinteilung in Vollzeit-Ernährer und Teilzeit-Mutter entschieden haben, rechtfertigen.

O-Ton 12 (Felix & Karin):

Ich bin aus allen Wolken gefallen, als er mir gesagt hat: „Ich wollte auch mit den Puppen spielen, aber ich durfte nicht“. Ich fragte, wieso, das kann ich mir nicht vorstellen. „Ja, weil die in der Mädchenecke sind und Jungs da ja nicht hindürfen“. Ich hab gedacht, das ist wahrscheinlich ein Kommunikationsfehler gewesen, irgendwie in einem Streit, haben die Mädchen gesagt: Du gehst hier weg, das ist nur für uns! Ja, ich war mir hundertprozentig sicher, dass es nicht ’ne Zuschreibung der Kita sein konnte. Aber dann hab ich nochmal nachgefragt: „Mein Sohn hat behauptet, es gäbe hier so ’ne Mädchenecke, wo Jungens nicht hindürfen, das ist ja wahrscheinlich ein Missverständnis, das kann ja nicht sein?!“ „Ja doch, das hatten wir immer so. Wir hatten da oben, wenn man die Treppe hochgeht auf dieser Empore, da sind nur die Mädchen, damit die auch mal für sich sind.“
– … denn die Jungs sind ja immer so wild, und da wollen wir die Mädchen schützen.
– … da verschlug es mir die Sprache, ich wusste gar nicht wie ich darauf reagieren sollte, also da schien mir jegliche Argumentationsbasis entzogen.
Dann kamen noch andere Geschichten dazu, wie zum Beispiel, dass kurz vorher vom Weihnachtsmann, der in die Kita kam, ein Geschenk für die Mädchen gebracht wurde und ein Geschenk für die Jungs. Und genau das, was du eben sagtest: im Mädchengeschenk war Barbie, und in dem Jungsgeschenk Cars.
– … und die Mädchen machten Ausflüge, um Prinzessin Lillifee zu kucken
– Und das schien mir so unglaublich!
– Und dann haben wir Kontakt aufgenommen mit der Leitung. Wir dachten, wenn es so verbreitet ist bei den Erziehern in der gesamten Gruppe, dass wir nicht wussten, wie wir da anfangen sollten, zu argumentieren, wenn das so selbstverständlich ist, dass Mädchen ’ne Nummer anders sind und ruhig und lieb und Rosa brauchen und Puppen wollen, und dass Jungs immer laut und wild sind und die Mädchen vor denen geschützt werden müssen. Was ist das für ein absurdes Rollenbild, was da auch transportiert wird, tagtäglich?!
– … und unter dem unser Sohn dann einfach gelitten hat, weil er nun einmal mit den Mädchen spielen wollte und mit den Puppen.

Sprecherin:

Je enger die Schubladen und Normvorstellungen gezogen werden, desto schneller fallen Kinder als untypisch aus dem Raster, desto größer wird der Anpassungsdruck, desto verbreiteter das Gefühl, nicht richtig zu sein und deshalb ausgegrenzt zu werden. Dadurch wird die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die kindliche Experimentierfreude und der Erfahrungsreichtum empfindlich eingeschränkt. Einige Kinder rebellieren spürbar dagegen, bei vielen läuft das im Stillen ab und viel zu oft unbemerkt.

Sendung am Mo, 25.5.2020 15:05 – 15:30 Uhr,
SWR2 Leben >zur Programmseite auf dem Internetangebot des SWR<

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